Holidays Part 1 - Eine Woche im Himalaya

Mitte September, genauer am 17. September, meinem Geburtstag begannen unsere ersten Ferien an der Abhaya School. Wir starteten die lang geplante Reise nach Rishikesh und Jaipur am Morgen meines Geburtstages um 05:30, am Bahnhof von Hyderabad. Von dort aus fuhren wir mit dem Zug knapp 26 Stunden, noch gemeinsam mit unserer Mentorin, die nach Deutschland flog, richtung Delhi. Dort trennten sich dann unsere Wege, Moritz und ich nahmen einen Bus nach Rishikesh, einer kleinen Stadt am Fuße des Himalayas und Shai flog nach Frankfurt. Die Fahrt dorthin kostete uns einen weiteren Tag, sodass wir erst abends in Rishikesh ankamen. Dennoch fanden wir nach langem Handeln und großer Überzeugungsarbeit ein relativ günstiges Zimmer für 400 Rupien in einem Hostel mit Ganges Blick. Das Zimmer war dementsprechen selbst für indische Verhältnisse super verdreckt und bestand nur aus einem Bett.

Blick auf den Ganges von unserem Hostel aus

Am ersten Tag erkundeten wir ein bisschen Lakshman Jhula, der Teil Rishikeshs in dem wir uns befanden. Es war das erste Mal in Indien, dass mir so viele weiße Gesichter auf der Straße begegneten. Rishikesh ist für seine vielen Ashrams, Yoga und Marihuana bekannt und wird deshalb regelrecht von Touristen überschwemmt.
Da wir überhaupt keine Idee hatten, was wir überhaupt die Woche in Rishikesh tun wollten, traf es sich gut, dass wir am Abend des ersten Tages einen 23 jährigen Yogalehrer aus Delhi kennenlernten. Er erzählte uns von seinem Vorhaben nach Kedarnath zu pilgern um den sich dort befndlichen Tempel zu sehen. Wir entschlossen uns kurzerhand dazu zusammen zu gehen und begannen den Trip zu planen. Zwölf Stunden später befanden wir uns erneut im Bus, in Richtung des 250km entfernten Sonprayags. Die Busfahrt, die wieder einen ganzen Tag in Anspruch nahm war wirklich abgefahren. Der Bus wackelte pausenlos und man wurde alle paar Sekunden raus aus seinem Sitz und gegen die Decke geschleudert. Dabei fuhr der Fahrer in einem halsbrecherischem Tempo auf ungeteerten Feldwegen nur Zentimeter von hunderte Meter tiefen Abgründen entfernt, sodass mir nicht nur einmal der Atem stockte. Schließlich kamen wir dennoch an einem Stück gegen Abend in Sonprayag an, wo wir uns als Pilger registrieren mussten. Anschließend ging es in einem Jeep weiter nach Gaurikund, einem kleinen Bergdorf, wo wir die Nacht verbrachten, um morgens früh den Aufstieg nach Kedarnath zu wagen.
 
Blick aus unserer Unterkunft in Gaurikund

Der Aufstieg sah auf den ersten Blick nicht sehr schwierig oder anstrengend aus, da der Weg relativ breit und gut begehbar war. Allerdings ging es steil bergauf und wir mussten auf einer Strecke von 16 Kilometern mehr als 1500 Höhenmeter überwinden. Dafür wurden wir beim Aufstieg von einer tollen Aussicht belohnt, bevor sich nach ca. zwei Dritteln der Wegstrecke der Himmel zuzog und es zu regnen begann. Der Regen verfolgte uns die ganze Woche, sodass wir keine trockene Sekunde und leider keinen Blick auf die schneebedeckten Bergspitzen hatten. Das Besondere an unserem Aufstieg war jedoch, dass wir uns vornahmen kein Wort zu sprechen. Stattdessen sang jeder für sich die beiden Wörter Shiva Shambo, eine Art Mantra, welches die Kraft der Transformation und des reinen Bewusstseins symbolisiert. Unser Ziel war es, den Tempel in Kedarnath körperlich und geistig in einer Art Zustand der völligen Erschöpfung zu erreiche, um offen für die Energien und Eindrücke des Heiligtums zu sein. Wir schafften es, während der gesamten 7 stündigen Pilgerreise kein Wort zu sprechen und ließen alleine die Eindrücke der Natur während des Aufstieges auf uns wirken. Es war wirklich, schon zu diesem Zeitpunkt eine unbeschreiblich intensive Erfahrung, für die es keine Wort gibt.

Blick durch das Tal, durch welches wir aufstiegen

Blick hinunter ins wolkige Tal

Als wir schließlich völlig erschöpft oben ankamen gingen wir schnurstracks zum Kedarnath Tempel. Der Tempel ist ein bedeutendes Heiligtum des Hinduismus und gehört zu den zwölf Jyotirlingas und ist damit einer der wichtigsten Shiva Tempel Indiens. Der Gott Shiva wird hier als Kedarnath ("Herr des Landes Kedar") verehrt. Der Tempel zählt außerdem als eine der vier Stätten des Chota Char Dham-Pilgerweges. Beim Betreten des Tempels spürt man regelrecht die Energien, die die vielen unterschiedlichen Menschen, vor allem Yogi's dort gelassen haben. Wir verbrachten eine ganze Stunde im Tempel. Barfuß, mit geschlossenen Augen meditierend auf dem kalten Steinboden sitzend ließ sich der über tausend Jahre alte Tempel richtig spüren. Die Temperaturen um null Grad Celcius rückten in den Hintergrund, sodass man trotz fehlender Bekleidung und Schuhe keine Kälte mehr spürte, was wohl einerseits auf die allgemeine Erschöpfung, andererseits auf die Wirkung des Tempels zurückzuführen ist.


Der Kedarnath Tempel 3580 m. ü. d. M.

Nach der intensiven Tempelerfahrung suchten wir uns eine kleine Hütte, in welcher wir uns die nächsten Tage von einer Art Nudelsuppe ernährten.
Am Tag darauf entschieden wir uns trotz des Dauerregens noch weiter aufzusteigen um den, sich am Fuße des Chorabari Gletschers befindlichen heiligen See Gandhi Sarovar zu sehen. In diesem ist ein Teil der Asche Mahatma Gandhis verstreut. Nur sehr wenige Leute verirren sich dorthin, da man für den ca. 4km langen Aufstieg von Kedarnath aus eine Sondergenehmigung braucht. Um die wollten wir uns auch kümmern, was sich allerdings als schwierigeres Unterfangen rausstellte als ursprünglich gedacht. Da der indische Premierminister am nächsten Tag zu Besuch erwartet wurde und außerdem das Wetter sehr schlecht war, wurden keine Sondergenehmigungen ausgestellt. Allerdings erfanden wir eine kleine Geschichte und sagten, dass wir beide Touristen aus Deutschland seien, die extra angereist sind, um den heiligen See zu sehen. Wie die Inder eben so sind, sehr freundlich und zuvorkommend, wurde uns sogleich mitgeteil, dass wir von zwei Army Soldiers auf unserer kleinen Tour begleitet werden sollten. Das überraschte uns dann doch ein wenig, mit so etwas hatten wir nicht gerechnet und es entsprach auch nicht unserer Vorstellung einer Trekkingtour ständig zwei Army Soldaten um uns herum zu haben. Wir lehnten das freundliche Angebot daher dankend ab und machten uns, verbotenerweiße alleine auf den Weg zum Gandhi Sarovar. Inzwischen war es schon später Nachmittag und der Regen wurde stärker. Dennoch machten wir uns an den Aufstieg, provisorisch mit Plastiksäcken als Regencape und vier T-Shirts und einige Pullover übereinander, um der Kälte trotzen zu können.

Moritz und Prithvi beim Klettern


Der Weg zum See wurde schmäler und schmäler, hörte schließlich ganz auf, sodass wir nur erahnen konnten wo es weitergeht. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Angst unseres indischen Yogalehrers. Für ihn war es offensichtlich das erste Mal, in so einer unwirtlichen Umgebung. Er war sehr langsam, vor allem bei den Kletterpassagen, die immer häufiger wurden. Da die Zeit drängte, schlug ich vor umzukehren bevor wir den See erreicht hatten, um vor Anbruch der Dunkelheit wieder in Kedarnath zu sein. Allerdings stieß mein Vorschlag weder bei meinem Mitfreiwilligen, noch bei unserem indischen Freund auf viel Gegenliebe. Da ich durch einige Hochtouren in den Alpen schon eine gute Portion Gebirgserfahrung mitbrachte, wusste ich, dass es, auch wenn wir nur ein paar Meter von dem See entfernt waren, wichtiger ist, den Abstieg im Hellen hinter sich zu bringen. Trotz mehrmaligem Ermahnen doch umzudrehen hörte niemand auf mich. Da ich die beiden nicht alleine weitergehen lassen wollte, folgte ich ihnen und drängte zur Eile. Schließlich erreichten wir Gandhi Sarovar um 17:00 und waren überrascht, dass der See leer war. Offenbar hat sich der ihn speisende Gletscher so weit zurückgezogen, dass der See ausgetrocknet ist.

Der ausgetrocknete Gandhi Sarovar auf 3900 m. ü. d. M.

Den Abstieg mussten wir wohl oder übel in der Dämmerung wagen, auf Wunsch meiner beiden Begleiter gingen wir statt auf dem Pfad, den Bach entlang über riesige Geröllfelder. Kurz hatte ich die Hoffnung, dass wir durch die kürzere Wegstrecke unsere Unterkunft eventuell noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Diese Annahme stellte sich allerdings rasch als Trugschluss heraus. Ganz im Gegenteil, die beiden brauchten viel länger als angenommen. Schlussendlich entschied ich mich dazu vorzugehen, um eine Taschenlampe aus unserer Unterkunft zu holen. Tatsächlich schaffte ich den Abstieg und erreichte Kedarnath exakt mit Einbruch der Dunkelheit. Ich holte die Taschenlampe und machte mich erneut an den Aufstieg, um die beiden zu suchen. Als ich sie nicht finden konnte, der Regen schlimmer wurde und die Temperaturen sanken entschied ich mich, in Anbetracht der wirklich gefährlichen Lage dazu Hilfe zu holen. Ich rannte also zurück zum Army Zelt und fragte nach zwei Begleitern. Erstaunlicherweise hinterfragte niemand, weshalb wir ohne Genehmigung aufgestiegen waren. Ich bekam sofort Hilfe und mehrere starke Lampen zur Verfügung gestellt, sodass wir uns erneut auf den Weg machten.

Geröllfelder auf der Abstiegsroute

Wir stiegen bis ca. zur Hälfte der Strecke auf, fanden aber niemanden. Aufgrund des immer schlimmer werdenden Regens und der Annahme, dass die beiden schon viel weiter unten sein müssten, kehrten wir schließlich um. Ich bedankte mich für die Army Unterstützung und hoffte die beiden in der Unterkunft anzutreffen. Dem war leider nicht so und ich spielte, nachdem die beiden auch um 21:00 Uhr noch nicht angekommen waren kurz mit dem Gedanken nach einem Helikopter zu fragen. Denn die Überlebenschancen ohne jegliche Hilfe bei den Temperaturen auf knapp 4000m Höhe im Himalaya sind nicht allzu hoch.
Glücklicherweiße kamen die beiden kurz nach 22:00 Uhr, völlig am Ende in unserer Unterkunft an. Sie hatten sich während unserer Suche unter einem Felsen untergestellt und haben uns deshalb weder gesehen noch gehört. Schließlich schafften sie den Abstieg mit der letzten Energie der Handytaschenlampe.
Diese Erlebnisse haben mir wieder einmal gezeigt, wie schön aber gleichzeitig auch gefährlich und unbarmherzig die Berge und die Natur sein können. Auch werde ich das nächste Mal noch mehr darauf beharren umzukehren, wenn ich denke, dass es ansonsten zeitlich nicht mehr reicht.

Wie es auf unserem Himalaya Trip weiterging, könnt ihr im nächsten Blogpost lesen...

Kommentare

  1. Tja, das bestärkt mich Mal wieder darin, nie ohne entsprechende Ausrüstung Bergtouren zu unternehmen: Wärme Kleidung, Regenkleidung, taschenlampe und Biwaksack sind das Mindeste. Aber gut reagiert und glücklicher Weise ist ja alles gut gegangen.

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